Das Literarische Bautagebuch

Wolf-Dieter Thormeier

Eine Geschichte der Farben

Im Gespräch mit dem Restauratoren Wolf-Dieter Thormeier

Sie haben das Gutachten für die Farbfassungen im Gerhart Hauptmann Haus auf Hiddensee erstellt. Die Innenräume des Altbaus sind auffällig bunt gestaltet. Kann man davon ausgehen, dass Gerhart Hauptmann und seine Familie in derart farbig gestalteten Räumen lebte?

An unterschiedlichen Stellen des Hauses habe ich einzelne Farbschichten aufgedeckt. Die Innenraumfarbgebungen waren wie das Blau in der Wohndiele, im Treppenhaus und Flur im ersten Obergeschoss schon zu Zeiten Hauptmanns prägnant coloriert. Meist variieren die einzelnen Schichten nur um Nuancen.

Größere Änderungen sind in dem ehemaligen Schlafraum von Margarete Hauptmann im ersten Obergeschoss zu erkennen. Das Zimmer ist heute ockerfarben. Unter dieser Farbschicht befindet sich jedoch ein kräftiger Blauton.

Oder die Decke der Wohndiele, birgt unter der heutigen Weißschicht einen grünumbrafarbenen und einen beigefarbenen Farbton. Der berühmte Kreuzgang mit weißen Wänden weist darunter leicht gelblich-ockerfarbende Spuren auf.

Die Veränderungen lassen sich vermutlich auch durch die unterschiedlichen Nutzungen des Hauses erklären. Die Schlafzimmer der Hauptmanns beispielsweise wurden erst in den 1980er Jahren Teil des öffentlich zugänglichen Museums. Günther Mattheisen, der ehemalige Hausverwalter, des Hauses erzählte, dass die Bildhauerin Karla Friedel eine Bekannte von den Hauptmanns bis in die 1970er Jahre die ehemalige Küche und das WC im Erdgeschoss, Margaretes Schlafzimmer sowie das Zimmer gegenüber mitsamt des oberen Flurbereichs nutzte und große Teile der Räume weiß übermalt hatte.

Welche Eingriffe, Veränderungen an den Oberflächen sind Ihnen als Restaurator besonders aufgefallen?

Im Großen und Ganzen, denke ich, kann man tatsächlich sagen, dass man versucht hat, das Haus so zu belassen, wie man es 1955/56 vorgefunden hat. Das Mauerwerk ist erstaunlich gut erhalten.

Die Außenfassade des Hauses war immer schon hell verputzt. Eventuell in einem etwas weicherem Ton als heute.

Die Fenstereinfassungen hat man – vermutlich in den 1990er Jahren – mit einem Fugenkleber überspachtelt und mit einem Kratzmuster versehen. Der Werkstein darunter hat auch eine ganz andere, leicht rötliche Färbung. Vielleicht hatte man versucht, die in dem Werkstein verschwindenen Scharrierungen – also die Rillen – zu rekonstruieren. Der Fugenkleber gehört hier natürlich nicht hin und platzt auch überall ab. Das wird entfernt und die Scharrierungen von einem Steinmetz sachgerecht wieder in den Stein eingearbeitet.

Fenstereinfassung. Unter dem Fugenkleber der originale Werkstein mit leicht rötlicher Färbung. Die Scharrierungen sind kaum noch zu erkennen.

Welche Bestandteile des Hauses lassen sich dabei relativ sicher der Gestaltung unter dem Bauherren Hauptmann zuordnen?

Gerhart Hauptmann hat in erster Linie den Anbau mitverantwortet und diverse Einrichtungsgegenstände hinterlassen. Auch das ornamentale Farbband an der Treppe ist sehr wahrscheinlich auf Gerhart Hauptmann zurückzuführen.

Bei einer Sanierung würde welcher Zustand wieder hergestellt?

Man würde den Farbzustand wieder so herstellen wie zu den Zeiten Hauptmanns. Dazu gehört auch etwas Recherche. In den 1980er Jahren hat Hans Todemann bereits eine Untersuchung und Restaurierung durchgeführt. Die Familie in Stralsund kenne ich und werde mich hier weiter erkundigen.

Wolf-Dieter Thormeier

ist Restaurator für Wandmalereien und Architekturoberflächen in Stralsund und hat für das Gerhart Hauptmann Haus auf Hiddensee die Voruntersuchungen der Oberflächen verantwortet.

Wolf-Dieter Thormeier

Die Gutachten konnten dank der Unterstützung der Herrmann Reemtsma Stiftung realisiert werden.

Beitrag: Panatom