Das Literarische Bautagebuch

Günter Matheisen. Foto: Panatom

Aus dem Erinnerungsschatz eines langjährigen Mitarbeiters und Bewohners

Im Gespräch mit Günter Matheisen

Günter Matheisen gehörte als Hausverwalter fast 20 Jahre lang zu den tragenden Mitarbeitern des Hauptmann Hauses und Heimatmuseum Hiddensee. Mit seiner Frau, der Leiterin der Häuser, lebte er in der Mitarbeiterwohnung des Hauptmann Hauses. Als er 1966 auf die Insel kam, arbeitete bis 1975 an der Seite des ersten Museumsleiters Karl Ebbinghaus und schließlich bis 1986 an der Seite von Margrit Matheisen und Dr. Gustav Erdmann, der als Germanist und Hauptmann-Spezialist das Museum wissenschaftlich beriet.

Die reichen Erinnerungen von Günter Matheisen, der inzwischen wieder auf dem Festland situiert, aber regelmäßig zu Besuch auf Hiddensee ist, könnten sicher Buchbände füllen.

Wann und wie kamen Sie auf die Insel Hiddensee und zum Gerhart Hauptmann Haus?

Meine Familie kommt aus Berlin. Meine Mutter liebte die Insel Hiddensee und wagte eines Tages den Umzug. Sie arbeitete als Reinigungskraft im Hauptmann Haus, wurde jedoch 1966 krank, sodass die Museumsleitung mich bat, sie für einen Sommer zu vertreten. Bei der Bahn, wo ich als gelernter Eisenbahner angestellt war, war man bereit, mich freizustellen, sodass ich meinen ersten Sommer auf Hiddensee verbrachte. Am Ende der Saison wurde mir eine Stelle als Betriebshandwerker angeboten und so wurde ich 20 Jahre lang sesshaft auf der Insel.

Können Sie uns etwas zur Nutzungsgeschichte des Hauses nach 1946 erzählen?

Nach dem 2. Weltkrieg und dem Tod Gerhart Hauptmanns stand das Sommerhaus leer. Es herrschte großer Wohnungsmangel zu der Zeit. Die ersten Jahre kamen Flüchtlinge in dem Altbau unter. Die Idee, eine Gedenkstätte einzurichten, kam schon vor 1956 auf. Es fehlten aber die finanziellen Mittel und Möglichkeiten.

Ungefähr Anfang der 1950er Jahre zog die Bildhauerin Karla Friedel in das Haus.

Erst 1956, also zum 10. Todestages des Dichters, wurde die Gedenkstätte dann eröffnet. Frau Friedels Wohnbereich wurde eingeschränkt. Der komplette untere Bereich des Schelcher-Anbaus sowie die Veranda und die Diele im Altbau wurden öffentlicher Ausstellungsraum.

Auch die Museumsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter sowie die Künstlerinnen und Künstler, die für die Veranstaltungen das Haus besuchten, kamen zum Teil in dem Gebäude unter. Als Karla Friedel 1970 starb, bezog ich mit meiner Frau einen Teil des oberen Stockwerks. Anfang der 1990er Jahre wurde dann auch der Weg durch das Treppenhaus bis in die Schlafräume von Margarete und Gerhart Hauptmann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Welche Bau-, Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen wurden an dem Gebäudekomplex durchgeführt?

Vor der Eröffnung der Gedenkstätte 1956 fanden einige Sanierungsarbeiten statt. Für den Museumsbetrieb wurde ein hölzernes Kassenhäuschen am Parkeiungang errichtet.

1976 zum 20. Jubiläum der Gedenkstätte und 30. Todestag Gerhart Hauptmanns wurde die Gerhart Hauptmann Gedenkstätte zum Nationalen Kulturerbe ernannt. Im Zuge dessen wurde das Dach neu gedeckt, die Statik des Hauses gesichert und eine elektrische Warmwasserheizung im ganzen Haus eingebaut. Die Gemeinde klagte damals, dass das Hauptmann Haus und der Schulbus die höchsten Ausgaben verursachten. Der Kessel brauchte so viel Strom (64 kWh), dass man extra ein Kabel vom Transformatorhaus zum Hauptmann Haus legen musste. Auch die Terrasse wurde zu diesem Zeitpunkt erneuert und die Steine durch Fliesen ersetzt. Man hat sich dabei von dem originalem Fischgrätmuster verabschiedet.

1979/80 gab es eine Restaurierungsaktion, bei der weitere Räume wieder im Stil der Hauptmanns hergerichtet wurden. Der Restaurator Hans Todemann und ein Kollege aus Stralsund haben die Wandfarben im Altbau rekonstruiert, die seit der Eröffnung weiß gestrichen waren. Grundsätzlich haben wir auch viel selbst gemacht. Im Winter, wenn die Gäste weg waren, wurde sich um Haus und Grundstück gekümmert.

Wie war das Museum gestaltet?

Auf der Veranda und der Diele in dem Altbau „Seedorn“ standen Vitrinen und Schautafeln an den Wänden mit Informationen zum Leben und Werk Hauptmanns. Der Anbau, den Hauptmann mit dem Architekten Arnulf Schelcher plante, sollte den Besucherinnen und Besuchern die Wohnsituation der Hauptmanns zeigen. Weitere Informationen und Literaturhinweise konnten in einer Führungsschrift nachgelesen werden. Neuste Forschungsergebnisse wurden regelmäßig ergänzt. Insgesamt gab es sieben Auflagen.

Bis 1976 hatten Dr. Gustav Erdmann und der Grafiker Hubert Kleemann die Ausstellungen entwickelt. Es war das 30. Todesjahr als man die Gerhart Hauptmann Gedächtnisstätte zum Nationalen Kulturerbe ernannte. Kulturelle Gremien empfanden die bisherige Ausstellung als zu bürgerlich. Eine moderne Ausstellung sollte mehr im Sinne der sozialistischen Kulturpolitik ausgerichtet werden. Aus der Universität Greifswald schickte man einen Professoren, der eigentlich ein Spezialist für altdeutsche Literatur war und Leiter der Sektion Musik- und Kunstwissenschaft. Er entwickelte eine umfassende und leider überdimensionierte Tafelausstellung bis in den Neubau hinein. Alle Möbel wurden entfernt. Nur das Arbeitszimmer sollte noch als Wirkstätte Hauptmanns sichtbar bleiben. Aus dem Abendzimmer konnte man die Ausstellung gerade noch fernhalten. Es wurden dann drei Parkvitrinen aus Rostock für den Garten besorgt, um noch mehr Platz zu haben. Die Texte wurden vom Institut für Kunsterziehung verfasst, die zum Teil fehlerhaft waren, sodass Germanisten nach Hiddensee kamen und noch an der fertigen Ausstellung korrekturgelesen haben.

Als die Delegation, Vertreter der Kultur und Politik des Ostseebezirks Rostocks und vom Kreis Rügen, kamen, um die Ausstellung zu besichtigen, arbeitete der Glaser noch an den Vitrinen. Der Rundgang war gerade abgeschlossen, da sah ich wie der Kurator aus der Uni Greifswald im Laufschritt das Grundstück verließ. Er wurde nie wieder auf Insel gesehen. Die Delegation hatte die Ausstellung abgenommen und sie blieb dann für einige Jahre. Die Kritik an der Ausstellung nahm aber nicht ab. Unter anderem die Zeitschrift Museumskunde kritisierte die Umsetzung. Bemängelt wurde nicht nur der Umfang der Ausstellung, in der auf einmal auch die Wirtschaftsgeschichte thematisiert wurde, sondern auch, dass man die originalen Räume verändert hatte. 1979 konnte die Ausstellung endlich wieder abgebaut werden. Herr Erdmann, der als wissenschaftlicher Berater des Hauses und Hauptmann-Experte, immer für die Inhalte der Ausstellungen verantwortlich war, konnte zusammen mit dem Grafiker Hubert Kleemann ein neues Konzept erarbeiten. Die Räume im alten Haus wurden erstmals wieder wie zu Hauptmanns Zeiten hergestellt. Dank der drei Parkvitrinen war ausreichend Platz im Haus vorhanden.

Das Haus ist voller Geschichten. Welche Hinterlassenschaften aus Hauptmanns Hiddensee-Zeiten findet man in dem Museum?

Dinge sind verschwunden, andere sind Dinge hinzugekommen, die nie dort gewesen sind. Als Hauptmanns das Haus bezogen, brachten sie einiges an Mobiliar zum Teil aus ihrem Hauptwohnsitz in Agnetendorf mit beziehungsweise hatten die vorherigen Besitzer sicher auch einiges in dem Haus gelassen. Ich vermute, die Betten gehören dazu.

Kunstwerke, Besteck, Bücher und Wäsche brachten die Hauptmanns jeden Sommer je nach Bedarf und Vorlieben aufs Neue mit beziehungsweise auch wieder zurück. Die Möbel wurden nach dem Tod des Schriftstellers zum Teil magaziniert.

Während der russischen Besetzung 1945 mussten alle Radios und Fotoapparate abgegeben werden. Im Hauptmann Haus konnten wir das Radio später durch ein Gerät aus Hauptmanns Zeit ersetzten. Als Karla Friedel 1970 verstarb, hinterließ sie einige Objekte in dem Haus. Das ein oder andere Stück hat sich mit in die Ausstellung geschlichen: Ein Reisekoffer und die dicken Stoffe auf dem Bett und die Vorhänge im Schlafzimmer des Dichters.

Im Zuge der Restaurierung von 1979 haben wir auch die unteren Räume des Altbaus wieder eingerichtet. Einige Ausstellungsstücke wie den kleinen Radiohocker oder die Gardinen und Gardinenstangen waren nicht mehr vorhanden und mussten ersetzt werden. Der Sohn des Pfarrers Eggert Gustavs war oft bei den Hauptmanns zu Besuch und hat uns dabei geholfen, die Räume wieder herzurichten und zum Beispiel Standorte des originalen Mobiliars gezeigt.

Anfang der 1980er-Jahre wurde dann die Villa Lassen in Erkner als zentrale Gerhart Hauptmann Gedenkstätte einrichtet und einiges aus dem Hiddensee-Fundus ging in die Villa Lassen über. Der Direktor des Hauses, Dr. Erdmann, war auch der wissenschaftliche Berater für das Gerhart Hauptmann Haus auf Hiddensee.

Als dann Anfang der 1990er Jahre die Schlafzimmer oben zugänglich gemacht wurden, mussten die Einrichtungsgegenstände zum Teil auch ergänzt werden.

Nach der Wende hat dann Familie Hauptmann, die im Westdeutschland lebte, einige Objekte wie zum Beispiel das Porzellanpferd oder den Nobelpreis für Literatur mit in das Haus eingebracht.

Das Mobiliar aus den Häusern ist weitgehend erhalten. Es ist ein Wunder: Sogar der Chenille-Sofabezug im Arbeitszimmer ist noch original.

Nie herausgefunden haben wir, wo die ganzen Bodenbeläge wie Teppiche und Läufer geblieben sind. Wir wissen, dass die Familie nicht auf kahlen Böden lebte. Zeitweise hatten wir ersatzweise Teppiche in dem Ausstellungsbereich ausgelegt.

Erinnern Sie sich an ein besonderes Ereignis?

Im Frühjahr 1983 wurde die Urne von Margarete Hauptmann von Bayern nach Hiddensee überführt. Margarete Hauptmann war 1957 verstorben. Es war schließlich seine Enkeltochter Anja Hauptmann, die die Initiative ergriff, die Urne auf der Grabstelle Gerhart Hauptmanns beizusetzen. Meine Frau und ich haben die Vorbereitungen getroffen. Am 06. Juni 1983 konnte die Trauerfeier dann mit Anja Hauptman und Maxa Mück, der ehemaligen Pflegerin von Gerhart Hauptmann, stattfinden. Das war das erste Mal, dass wir Kontakt zu Familienmitgliedern hatten.

Günter Matheisen

arbeitet bis heute ehrenamtlich für den Dom St. Nikolai in Greifswald. Ab und zu trifft man ihn auch noch bei Führungen durch das Hauptmann Haus. Von 1966 bis 1986 arbeitete der gelernte Eisenbahner, angestellt von dem Rat der Gemeinde Hiddensee, für das Hauptmann Haus und das Heimatmuseum Hiddensee. Zu seinen Tätigkeiten gehörten die Handwerks-, Gärtnerarbeiten, Museumsaufsichten, Veranstaltungsplanung und Führungen. Seine Frau leitete von 1975 bis 1983 die Häuser.

Günter Matheisen.

Beitrag: Panatom